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Alles begann vor etwa fünfzig Jahren erzählt Horst Dieter Sihler: "Eines Tages im Herbst 1969 kam ich als junger Filmkritiker ahnungslos zur Jahresversammlung der Aktion Der gute Film und ging zwei Stunden später als deren neugewählter geschäftsführender Obmann weg. Damals war ich bereits einige Jahre als freischaffender Filmjournalist zwischen allen europäischen Filmfestivals in Ost und West unterwegs und schrieb frisch-fröhlich für alle Zeitungen, die mich nicht zensurierten von der Frankfurter Allgemeinen bis zur Volksstimme. Allmählich aber hatte ich es satt, ständig über Filme zu berichten, die in Österreich kein Mensch zu Gesicht bekam. Etwas war hier faul im Kino-Wesen. Die Idee neuer alternativer Kino-Strukturen setzte sich fest. Die Aktion Der gute Film schien sich als Organisationsform anzubieten. Danach folgte eine zehnjährige Odyssee als Ein-Mann-Wanderkino. Hunderte von Vorführungen in den unmöglichsten Orten und Räumlichkeiten, unter dem einen Arm die Filmrollen, unter dem anderen den Projektor (mein sagenhafter 16-mm-Bauer-P6). Sagenhaft auch meine Erfahrungen: Je unvorbelasteter, umso offener, vorurteilsloser das Publikum! (...) Danach fand ich es an der Zeit, die Filme und das Publikum zusammenzubringen, nicht nur gelegentlich, alibimäßig, sondern auf Dauer, kontinuierlich: Das Projekt Alternativkino entstand!" Das Jahr 1977 war gewissermaßen das Jahr der Neu-Orientierung des Österreichischen Films. (...) Im gleichen Jahr wird das stadteigene Volkskino in Klagenfurt an die KOV-Kinokette verpachtet und dadurch kampflos erstmals das totale Kino-Monopol ermöglicht, eine kulturpolitische wie kommerzielle Dummheit ersten Ranges. Gleichzeitig wird erstmals das Projekt Alternativkino Klagenfurt bei Stadt, Land und Bund eingereicht. Der örtliche Cineclub und die Aktion Der gute Film verweigern die Mitarbeit, woraufhin H.D. Sihler den Verein Alternativkino ins Leben ruft. Dieser Verein findet mit seinem Projekt vorerst Gnade vor den Augen des Bundes und der Stadt und wagt sich an den Neubau eines Kinos an einem der schönsten Plätze der Stadt Klagenfurt, nämlich im Lendhafen. Aber auf halber Ausbau-Strecke werden die Subventionen eingefroren, und das Alternativkino erlebt seine erste schwere Schlappe. Es bleibt unvollendet, eine Beton-Ruine. Als 1981 Österreichs Filmförderungsgesetz in Kraft tritt, verweigert das Land die Mit-Finanzierung mit dem Argument, man brauche kein Alternativkino, es gehe ja ohnehin alles in die Videocassette. So der Spruch des damaligen Landeshauptmannes und Landeskulturreferenten Wagner. (...) Die halbfertige Beton-Ruine im Lendhafen steht heute noch und zwischendurch laufen immer wieder Debatten, diesen Bau fertigzustellen, als eine der möglichen Varianten des zukünftigen Alternativkinos.
Horst Dieter Sihler: "Gerade als ich endgültig aufgeben wollte, kam Anfang 1985 vom neuen Kino-Mogul der Stadt das Angebot, eines seiner Vorstadtkinos, nämlich das Peterhofkino im Stadtteil St. Peter als Alternativkino zu betreiben. Damit begann die fast vierjährige Phase des Vollbetriebes des Alternativkinos, die all unsere grundsätzlichen und bisher nur theoretischen Überlegungen bestätigte, daß auch in kleineren Städten ein Programmkino dieser Intensität seine volle Berechtigung hat, und daß es genügend Filme genug Interessenten dafür gibt. Die Zahlen beweisen es: 900 Filme, 63.000 Besucher, 40 Ausgaben der monatlichen erscheinenden Programm-Zeitschrift! Leider erwies sich auch unsere Haupt-These als richtig, daß Kinos dieser Art ein Viertel bis ein Drittel des Einspiels an Zuschüssen brauche. Wieder einmal zeigte sich das System der Drittelparität (Bund-Land-Stadt) als Fallgrube mit dem Land als Bremse. Der Verein mußte mit weniger als der Hälfte der vereinbarten Mindest-Subvention auskommen. Das Ende war vorgezeichnet, als nach der Übersiedlung des Alternativkinos ins Wulfenia-Kinozentrum deutlich wurde, daß sich die Struktur eines Kinocenters mit den Intentionen eines Alternativkinos nicht vereinbaren läßt." Dies vor Augen, kämpft der Verein Alternativkino 1988 um die Übernahme des stadteigenen Volkskino-Centers, mit einem großen Kinosaal, der - kommerziell programmiert wie bisher - durchaus den kleinen Saal, das Alternativkino, hätte mitfinanzieren können. (...) Da das Volkskino-Center in ein Gemeindezentrum umgebaut werden soll, wurde der Übersiedlungs-Antrag des Alternativkinos abgelehnt. Die Möglichkeit, ein Ideal-Modell zu erproben, und sich aus eigener Kraft zu sanieren, war dahin. (...) Juni 1991: In der Alternativkinozeitung 45 stellt sich der Verein Alternativkino mit neuer Mannschaft neu formiert vor. Der Öffentlichkeit und den Kulturpolitikern wird das Projekt "Filmkulturzentrum Volkskino" vorgelegt. Seit 1988 gab es keinen Betrieb des Alternativkinos mehr. (...) Wohl gibt es einen Beschluß des Stadtsenats, wonach der kleine Saal des stadteigenen Volkskino-Centers als Räumlichkeit für ein Programmkino dienen soll, jedoch in Richtung Realisierung dieses Beschlusses ist von Seiten der Stadt noch nichts geschehen. Der Verein Alternativkino aber hat inzwischen alle Auflagen der Stadt erfüllt: Der Träger-Verein wurde auf eine möglichst breite Basis gestellt, hat sich personell und organisatorisch neu strukturiert, und ist zum Sammelbecken für alle geworden, die in Sachen Filmkultur nicht mehr Provinz bleiben wollen. Es gibt einen erweiterten Vorstand, das Präsidium und den Programmbeirat. Der Verein Alternativkino steht in den Startlöchern.
16. Oktober 1991: Das Volkskino als ältestes, noch erhaltenes Kino Klagenfurts ist genau 65 Jahre alt - die Wiedereröffnung des Alternativkinos startet genau auf den Tag mit dem gleichen Film wie vor 65 Jahren: Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin. Hat das Alternativkino nun endlich im ehemaligen Volkskino eine ständige Heimstätte gefunden? Nur fünf Wochen vor der Wiedereröffnung erhielt das Alternativkino "grünes Licht" für den Kinostart, also Zusagen von Stadt, Land und Bund für Grundfinanzierung des Programmkinobetriebes für 1991 und 1992. Ein hektischer 5-Wochen Countdown des neuen Vereins-Vorstandes begann, um praktisch über Nacht alles zu organisieren, was zu einem Kinobetrieb dieser besonderen Art gehört: Eine Kino-Mannschaft, ein Monats-Programm, eine Programm-Zeitung, eine entsprechende Kinotechnik, ein Büro, ein Kino-Cafe, ein entsprechendes kommunikationsförderndes Kino-Ambiente. Daß es gelungen ist dies alles in kurzen Zeiten zu organisieren und gut zu organisieren ist bewundernswert. Seit der Wiedereröffnung bringt das Alternativkino täglich drei bis vier Filmvorführungen. Die Nachmittagsleiste des Kinoprogramms ist Kinderfilmen vorbehalten. Für Schulklassen werden Sondervorstellungen angeboten. Die Besucheranzahl hat in den ersten Monaten alle Prognosen bei weitem übertroffen. (...)
1. Österreichische Filmtage Velden 1977 Zur Geschichte des Volkskinos Open-Air-Kino im Burghof Zum Beginn der Seite Zurück zur "Klagenfurter Kinogeschichte" |