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Das am 15. Oktober 1926 eröffnete Volkskino war von Anfang an umstritten. St. Ruprecht - zu dieser Zeit noch eine eigenständige Gemeinde - galt als die Wohngegend der Klagenfurter Arbeiterschaft.
Für die Schaffung einer eigenen kulturellen Identität war das Kino von großer Bedeutung. Die Auswahl des Eröffnungsfilms - Panzerkreuzer Potemkin von Sergej Eisenstein - mag
als Indiz dienen. Die Skepsis des bürgerlichen Klagenfurts ist im Zeitungsartikel von Dr.E.
in der Klagenfurter Zeitung vom 17. Oktober 1926 deutlich zu spüren. In den Freien Stimmen ist es schon offene Häme.
St.Ruprecht bei Klagenfurt. (Kino-Eröffnung.) Die Gemeinde hat nächst der Bahnübersetzung ein für unsere Verhältnisse prunkvolles Lichtspieltheater erbaut. Gestern (15.10.1926, Anmerk.) gab es die Eröffnungsveranstaltung. Zu Beginn sang der Männergesangverein „Seerose“ das „Lied der Arbeit“, worauf ein Gemeindevertreter dem zahlreichen Publikum erläuterte, daß das neue Kino der Bildung und Aufklärung der gesamten Bevölkerung von St.Ruprecht dienen möge, und den am zustande kommen des Baues verdienten Männern gebührend dankte.
- Das Kino ist ein moderner Bau, dessen einfache Linien und geschmackvolle Größenverhältnisse den verständigen Betrachter an sich erfreuen. Eine Vorhalle mit Büffet und Garderobe führt in den Lichtspielsaal. Dieser selbst überrascht durch Breite und Höhe einerseits und wirkungsvolle Bühnenform anderseits. Dreiundzwanzig Reihen bequemer Armsessel zu je etwa zwanzig Sitzen sowie an der Rückwand befindliche, etwas erhöhte Logen und Seitengänge zu beiden Saalseiten ermöglichen eine Besucherzahl von rund fünfhundert Personen. Gegen Unfälle sichert eine große Zahl von Notausgängen. Die Beleuchtung besorgen im Saalraume sechs moderne Deckenleuchter, im Bühnenraume zwei Deckenlampen. Der Operateurstand mit dem projizierenden Lichtkegel bildet einen Runderker gegenüber der auf der Bühne in angenehmer Höhe angebrachten, nicht zu großen weißen Filmbildfläche. - Die Ventilation scheint dem Raume nicht zu genügen, denn die Hitze ist störend. Störend sind auch die etwas zu hellen roten Notlichter an den Seitenwänden. Die Filmprojizierung selbst leidet noch ein wenig an Lichtschwäche und häufiger Unschärfe - Mängel, die sich beheben lassen.
- Bei verstärktem Orchester rollte die Eröffnungsspielfolge ab. Zunächst
eine bilder- und neuheitenreiche Ufa-Rundschau, sodann ein Aufklärungsfilm
über richtiges Verhalten im Straßenverkehr und sehr
schöne Bilder vom internationalen sportlichen Wettkampf in
Göteborg in zwei Teilen. Der Eröffnungsschlager, vom
beifallsfreudigen Publikum lebhaft begrüßt, ist der
Film „Panzerkreuzer Potemkin“. Eine Fülle prachtvoller
Flottenbilder macht ihn in der Tat sehenswert. Auch dem Inhalte
nach ist der Film - bei richtiger historischer Auffassung - nicht
uninteressant. Geschildert werden russische Grausamkeit in übertriebener
Gestalt und demgemäß Massenreaktion und -erfolg in
ebenso übertriebenem Maße - alles in einem längstverklungenen
Rußland, einer Zeit, die es in keinem Belange mehr gibt
und in dieser krassen Gegensätzlichkeit gewiß nicht
einmal in Rußland, dem Halbasien, je gegeben hat. Dr. E.
Das Kino in St. Ruprecht, natürlich eine sozialdemokratische Einrichtung wurde am 15. d. M. (15.10.1926, Anmerk.) in Anwesenheit von Vertretern der Landesregierung und anderer Behörden durch die feierliche Vorführung des berüchtigten Films „Panzerkreuzer Potemkin“ eröffnet.
So berichtete die sozialdemokratische Presse. Der Film soll „mit seiner revolutionären Kraft alle Besucher in seinen Bann“ gezogen haben. Es wäre interessant zu wissen, ob die „Vertreter der Landesregierung“ und anderer Behörden auch von dieser revolutionären Kraft erfüllt wurden, und wo sie dieselbe jetzt zur Wirkung bringen werden. Im übrigen glauben wir, daß der Bericht ziemlich phantasievoll gehalten ist, denn die Landesregierung dürfte sich kaum bei einer Kinoeröffnung offiziell beteiligt haben.
25 Jahre Volkskino Nach dem ersten Weltkrieg war die Lage der damaligen Vorortegemeinde St. Ruprecht bei Klagenfurt finanziell nicht am günstigsten gestellt. In ihrem Gebiete befanden sich keine größeren Industrieunternehmungen. (...) Um dieser trostlosen Lage abzuhelfen, sah sich die damalige sozialdemokratische Gemeindemehrheit mit dem heutigen Bürgermeister von Klagenfurt, Friedrich Schatzmayr, an der Spitze genötigt, nach einem Ausweg zu suchen. Sie wandte sich an den damaligen Landeshauptmann Schumy mit der Forderung, St. Ruprecht in die Stadt Klagenfurt einzugemeinden oder ihr sonst eine Lebensmöglichkeit zu schaffen, wobei die Verleihung einer Kinokonzession als solche Lebensmöglichkeit angeregt wurde. Da nach der damaligen politischen Konstellation von einer Eingemeindung weder Landeshauptmann Schumy noch die bürgerlichen Parteien von Klagenfurt etwas wissen wollten, wurde die Lösung des Problems in der Erteilung der Kinokonzession gefunden.
Es wurde also mit den 22 Stimmen der sozialdemokratischen Gemeinderäte die Erbauung eines Kinos beschlossen, um damit eine neue Einnahmequelle zu erschließen. Diese Projekt fand verschiedentlich heftigen Widerstand. Die sechs Gemeinderäte der Wirtschaftspartei stimmten in der entscheidenden Sitzung dagegen. Aber das Werk wurde unverweilt in Angriff genommen. Von Herrn Piussi wurde der Baugrund erstanden, der so gewählt werden mußte, daß von vornherein auch mit Besuchern aus der Stadt gerechnet werden konnte. Um die Baukosten aufzubringen, wurde bei der Zentralsparkasse in Wien ein Darlehen von S 130.000,- mit ursprünglich 8.5 Prozent Zinsen aufgenommen. Dieser Zinsfuß stieg in den darauffolgenden Jahren bis auf 13.5 Prozent. Nach den Plänen Professor Truksas in Villach wurde die Bauführung der Firma Hitz & Raubal übertragen. Die gesamten Grundstücks- und Baukosten beliefen sich auf Schilling 162.000,-. Am 15. Oktober 1926 fand die erste Vorstellung mit dem Film „Panzerkreuzer Potemkin“ statt. Außer dem Operateur und Geschäftsführer wurden nur Kriegerswitwen und Kriegsversehrte als Personal eingestellt. Zum Geschäftsführer wurde der seinerzeitige Bürgermeister und Bahnbeamte Gottfried Pollach bestellt, der diese Funktion im Interesse des Betriebes durch ein ganzes Jahr hindurch unentgeltlich ausübte. Die verantwortliche Gemeinderatsmehrheit hatte natürlich schwere Sorgen, ob der Betrieb auch florieren werde, zumal in jener Zeit das Radio in Schwung kam und die Bevölkerung mit den Detektorenapparaten stark abgelenkt wurde. Aber der Besuch des Kinos war von Anfang an zufriedenstellend, so daß nicht nur die Raten für das aufgenommene Darlehen pünktlich abgestattet werden konnten, sondern auch Monat für Monat S 3000,- bis 4000,- für das Fürsorgebudget der Gemeinde abfielen.
In Anbetracht des anhaltenden, immer zahlreicher werdenden Besuches mußten in den Jahren 1927, 1928 und 1929 Vergrößerungen und Verbesserungen vorgenommen werden und im Jahre 1930 wurde auch schon eine Tonfilmapparatur angeschafft. Alle für diese Verbesserungen und Erweiterungen notwendigen Geldmittel wurden neben den Amortisationsraten und den an die Gemeinde abgeführten Beträgen vom Betriebe selbst aufgebracht. Das ursprünglich von verschiedenen Stellen so heftig bekämpfte Projekt des Kinobaues hatte sich also in jeder Hinsicht als rentabel und fruchtbringend erwiesen und fand schließlich auch allgemeine Anerkennung. Auch die bürgerlichen Zeitungen, die es ursprünglich ablehnten, für das „rote Kino“ Ankündigungen aufzunehmen, besannen sich bald eines Besseren. Nach dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich wurde der ständig vervollkommnete Betrieb in private Hände übergeben und auf „Kino Süd“ umbenannt. Diese Bezeichnung führte das Kino bis zum 20. Oktober 1946, an welchem Tage die alte Bezeichnung „Volkskino“ wieder über dem Eingang prangte und im Rahmen einer Festaufführung der 20jährige Bestand gefeiert wurde. Bürgermeister Schatzmayer enthüllte bei diesem Anlasse eine im Vestibül angebrachte Gedenktafel, die folgende Inschrift enthält:
Seit Wiederinbetriebnahme durch die Stadtgemeinde stieg die Besucherzahl
von Jahr zu Jahr. Das Volkskino wurde unter der bewährten
Leitung des neu bestellten Direktors Krenn zu dem bestbesuchten
der Stadt. So wurden im Jahre 1949 370.512 Besucher gezählt.
Im Jahre 1950 sank die Besucherzahl zwar auf 312.083, welcher
Rückgang schon auf die kritischen Zeitverhältnisse zurückzuführen
ist, aber das Volkskino hält dabei immer die Spitze vor allen
anderen Kinos.
Zur Geschichte des Alternativkinos Ingeborg Bachmann und das Volkskino (Lichtspiele Süd) Stadtteilmuseum St.Ruprecht Zum Beginn der Seite. Zurück zur „Klagenfurter Kinogeschichte“. |