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Flatterhaft und etwas trüb

Gesucht wird der älteste Kinofilm des Landes. Gefunden wurde das älteste Kinematographentheater des Landes.

Flatterhaft und etwas trüb

Geforscht wird nach den Anfängen des Kinos im Lande. Man weiß ja schon einiges. Aber eine vollständige Geschichte des Kärntner Kinos muß erst geschrieben werden.

Der 28. November 1896 war ein Sonntag. Um 8 Uhr in der Früh standen vor dem Hotel Sandwirt in Klagenfurt eine paar Dutzend Menschen und bezahlten pro Person 50 Kronen Eintritt. Ein paar Minuten später begann in einem Saal des Hotels die erste Kinofilmspule, die diese Stadt je gesehen hatte, ihre Runden zu drehen. Niemand sollte versäumen, die Sache anzusehen, konnte man am nächsten Tag in der Klagenfurter Zeitung lesen. Wie viele Personen tatsächlich die ersten Kinobesucher in Klagenfurt waren, weiß man nicht. Man weiß aber sehr wohl, welche Filme gezeigt wurden – sieben Stück hintereinander – und wie sie qualitativ beinander waren – flatterhaft und etwas trüb. Nichtsdestotrotz war das Publikum begeistert.

Diese erste Filmspule legte übrigens ein Franzose ein: Charles Crassé. Verheiratet mit einer Steirerin, tingelte er mit seinem Vorführapparat von Ort zu Ort, quartierte sich in Hotels und Pensionen in Klagenfurt, Villach, Spittal, St. Veit und Wolfsberg ein und zeigte stündlich seine Filme. Es muß ein gutes Geschäft gewesen sein. Und die technischen Erneuerungen galoppierten.

Eigener Holzpavillon
Einmal hieß der Apparat Bioskop, der nächste war ein Riesen-Projektions-Kolorskop, einen anderen bezeichnete man als Vivantographen. Die allerneuesten technischen Errungenschaften bestanden zur Jahrhundertwende darin, daß der Kinematograph in einem eigenen Holzpavillon untergebracht war. Das Modell 1900 wurde folgendermaßen angepriesen: Lebende Kolossal-Photographien! Eigene Lichtmaschine! Eleganter, wettersicherer Holz-Pavillon, welcher nach Bedarf geheizt wird! Und das Publikum kam, sah und war hocherfreut.

In Tarvis sah man gebannt auf die Pariser Weltausstellung und in Raibl konnte man die Burenkriege mitverfolgen. Der Höhepunkt an damaliger Filmkunst wurde im Oktober 1900 im Villach präsentiert: Auf einer Bildgröße von 30 Quadratmeter wurden in einem Programmablauf zwölf Filme gezeigt. Der Filmtitel Demolierung einer Mauer hatte einen derartigen Erfolg, daß er über tausend mal über die Leinwand flimmerte, Bespritzter und Bespritzte galt als furchtbar komisch und der Film Ankunft eines Eisenbahnzuges hatte sicher den Spannungsgehalt eines Tatort-Krimis.

Bilder in Lebensgröße
Zehn Jahre lang war Klagenfurt das Ziel von Wanderkinobetreibern. Da kam ein Herr Louis Geni in die Stadt, stellte auf der Geyerschütt sein Bioskop auf und ließ in der Zeitung Inserate drucken: Neuester, verbesserter Kinematograph! Sämtliche Bilder werden in Lebensgröße gezeigt! Und ganz unverblümt ließ er die Leser wissen: Samstag, 9 Uhr abends, Vorstellung nur fär Herren! Nicht ganz auszuschließen, daß einige Herren der Klagenfurter Gesellschaft Filme wie Das Sandbad oder Der Sklavenmarkt anderen Freizeitvergnügungen vorzogen.

Man fand das damals sehr pikant. Wesentlich reizvoller aber wäre es heute, wenn man den ersten in Kärnten gedrehten Film finden würde. Ein reisender Schausteller namens Johann Bläser nahm im September 1899 den Besuch Kaiser Franz Josephs anläßlich eines Herbstmanövers auf. Das weiß man aus Zeitungsberichten. Wo der Film ist, wissen die Götter.

Die herrische Züchtigung
Der Wanderkinobesitzer Franz Schober nannte seine Vorführung Riesen-Zirkus-Elektro-Bio. Auf der Geyerschütt traf er im Sommer 1907 mit dem damals allerneuesten Kino-Modell ein; die mit elektrischer Lichtanlage und Dampfmaschine ausgestattete Anlage faßte 800 Personen! Die Zeitungen melden ständig ausverkaufte Vorstellungen. Filmtitel wie Eisenbahnbau in Afrika durch Neger, Die herrische Züchtigung und Die Negergesandtschaft in Paris würden heute berechtigter Weise auf schwere Kritik stoßen.

Der erste erhaltene Film aus Kärnten stammt erst aus dem Jahre 1911. Zu diesem Zeitpunkt hat sich im Kinogewerbe schon einiges geändert. Wer noch mit Wanderkinos herumtingelte, war vom alten Eisen, wer innovativ war, kaufte sich ein stabiles elektrisches Reform-Kinotheater und baute sich einen elegant ausgestatteten Saal mit 300 Personen Fassungsraum (laut Werbeinserat). Das geschah in der Klagenfurter 10.-Oktober-Straße im Frühling des Jahres 1908 und damit begann die Geschichte einer jahrzehntelangen Institution dieser Stadt, von der mehrere Generationen einige Geschichten erzählen könnten: das Prechtl-Kino.

Prechtl-Kino
Hermann Prechtl der Älteste war vorher jahrelang mit einem Wanderkino unterwegs gewesen. In München hatte er eine prunkvolle Fassade für einen ambulanten Kinematographen erworben. Auf einem Foto kann man sie sehen: Die Kassa, die Uhr, die Eingangstüren und die Schmuckfiguren.

Kein Wunder, daß der Klagenfurter Kinoforscher Klaus Pertl vor Begeisterung aus dem Häuschen war, als der Urenkel dieses Herrn Hermann Prechtl, Hermann Prechtl IV., kürzlich bei ihm anrief und sagte: I hobs auf dem Dochbodn gfunden. Damit war die Kinogeschichtssensation für den Forscher perfekt. Der Lokalaugenschein brachte die völlig verstaubten, aber intakten Teile des 1. Kärntner Kinematographen zu Tage.

98 Meter lang
Prechtl muß für damalige Begriffe ein Top-Manager gewesen sein. Nicht nur, daß er sein Wanderkino auch für Theaterzwecke benutzte, als einer der ersten ein fixes Kino installierte, seinen Konkurrenten, den Herrn C. M. Köstner, mit seinem Kino (im damaligen Hotel Grömmer, heute das Haus der Bauern, wo sich übrigens noch immer die Kammerlichtspiele befinden) vom Markt verdrängte, drehte er 1911 eben diesen ältesten, erhaltenen Film aus Kärnten, die Eröffnung der Landes-Handwerkerausstellung, der 98 Meter lang ist, knappe vier Minuten dauert, heute zu den Schätzen des Filmarchivs Austria gehört und fast bis zum endgültigen Zusperren des Prechtl-Kinos im Jahre 1971 als Pausenfilm eingelegt wurde. Hermann Prechtl hatte für sein Kino eine alte Bierhalle angemietet und umgebaut. Wegen Brandgefahr waren der Projektor und der Vorführer in einer abgeschlossenen Blechhütte untergebracht. Von den stark brennbaren 16-mm-Filmrollen sind auch noch einige auf dem Dachboden der Familie vorhanden.

Der Rest ist Kinogeschichte. Zur vollständigen Geschichte fehlen jedoch noch jede Menge Fakten und Filme. Damit der Geschichtsfilm wieder geklebt werden kann, sind alle jene mit Erinnerungen an die Frühgeschichte des Kinos oder mit Erinnerungen an Erzählungen aufgefordert, ihr Wissen zu deponieren. Oder den verschollenen ältesten Film aufzutreiben. Dafür gibt es sogar eine Belohnung: ein Brücke-Abo gratis. Verliehen wird aber nichts. Bianca Kos

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