JOCHEN BENDELE
Die Filmindustrie hätte keinen Besseren vorschicken können, um das knospende Konkurrenzmedium Fernsehen von
Anfang an zurecht zu stutzen: Am 17. März 1955 kämpfte John Wayne in den „Heimat Lichtspielen“ in
St. Leonhard bei Villach mit den Gefahren des Fliegens, wobei sich „alle menschlichen Leidenschaften ein Stelldichein
geben“. Das neue Filmsystem, das die Bilder beim Drehen „zusammenquetscht“ und beim Abspielen durch eine
Spezial-Linse überwältigend auf eine doppelt breite Leinwand wirft, war erst eineinhalb Jahre vorher in den USA
erfunden worden. Villach führte – aber nicht lange: Noch im November des gleichen Jahres zog Klagenfurt in den
Kammerlichtspielen nach.
Damit begann die große, glamouröse Zeit des Kinos, das schon damals auf eine aufregende Vorgeschichte in
Kärnten zurück blicken konnte. „Am 30 November 1896, keine neun Monate nach der legendären ersten
Filmvorführung in Paris, gab es auch in Klagenfurt die erste Demonstration lebendiger Photographien “,
sagt der Klagenfurter Regisseur und Filmhistoriker Klaus Pertl. Zuerst ging es um gefilmte Alltags-Banalitäten wie
Bubis Frühstück und – schon 1899 – um „Pariser Abende“ mit „Pikanten Szenen“,
nur für Herren. „Die reisenden Kinos brachten das gern am letzten Abend; gab’s Ärger mit der Polizei,
waren sie schon weiter gezogen“, erklärt Pertl.
Noch vor 1910 war die Reise-Ära vorbei; die Kinobesitzer wollten das Jahrmarkt-Image abstreifen und näherten
sich von Inhalt und Räumlichkeiten dem Theater. Dabei kam es zu einem packenden Wettstreit zwischen Karl Köstner,
der sein Kino im Hotel Grömmer führte, und Hermann Prechtl, dem weitsichtigen Begründer der Schausteller-Dynastie,
der den Kampf gewann. Sein 1908 eröffnetes Kino hielt immerhin bis 1971 durch.
Zurück in die Cinemascopie, in einem Sprung über die Erfindung des Tonfilms, den Missbrauch des Kinos zur
Propaganda, die zehnjährige britische Besetzung auch der Lichtspielhäuser. Die monumentalen Filme mit Bibel- und
Heldenthemen nach 1955 werden ironisch „Schinken“ genannt – und locken scharenweise Zuschauer an.
„Mit Nebenspielstätten gab es zeitweise über 50 Kinos in Kärnten“, sagt Pertl, der die
verblassenden Spuren ihres Verschwindens dokumentiert.
Gegenwart und Zukunft gehören den großen Ketten und Cine-Centren. Es gibt zwar noch eine Handvoll Kinos in den
Bezirken, doch auch ihnen sagt Pertl einen Filmriss voraus: „Die Marktführer stellen irgendwann auf digitalen
Vertrieb und digitales Abspielen um, das ist schneller und billiger. Diese Investitionen werden die kleineren Kinos, die zum
Teil seit über 20 Jahren kein Geld in ihr Unternehmen gesteckt haben, nicht mitmachen können.“
Doch es gibt auch Hoffnung. Pertl kennt Initiativen, etwa in Nötsch, Eisenkappel, Bleiburg oder Spittal, deren
Mitglieder „Zelluloid gefressen“ haben und die Filmtradition mit Begeisterung zumindest in kleinem Kreis
aufrecht erhalten: „Die wissen, dass Kino auch im Zeitalter von DVD etwas Besonderes ist.“
DREI FRAGEN AN . . .
. . . Klaus Pertl, Regisseur und Kino-Historiker aus Leidenschaft
1. Woher stammt Ihre Begeisterung für das Kino?
KLAUS PERTL: Ich verbinde damit Erinnerungen an Kindheit und Jugend, Sportgummi, Kaiser Brustkaramellen und Stollwerk. Mein erstes Kino-Erlebnis war ein Scherenschnitt-Film von Lotte Reininger, später dann die Winnetou-Reihe, die ja im damaligen Jugoslawien gedreht wurde. Den „Schatz im Silbersee“ habe ich wirklich gefunden. Ich war mit fünf, sechs Jahren mit meinen Eltern in der Nähe des Drehortes essen und habe beim Herumlaufen den Silber-Schatz entdeckt und völlig aufgeregt eingesammelt. Meine Eltern haben mich ziemlich genervt gefragt, was ich mit den leeren Austernschalen will.
2. Was hat Kino den Kärntnern in seiner Blütezeit bedeutet?
PERTL: Es war das Theater des kleinen Mannes. Fast täglich wurde das Programm gewechselt, und es gab Leute, die sind vier Mal die Woche ins Kino gegangen. Die haben dafür gelebt.
3. Es heißt immer, dass sich alles geändert hat, dass Kino rasanter geworden ist, dass praktisch nichts mehr ist wie damals.
PERTL: Wir haben einmal die Schnittlänge der frühen, angeblich extrem schnellen Videoclips mit Szenen aus Eisenstein-Filmen verglichen. Wir waren selbst überrascht, aber bei gar nicht so wenigen Stellen war Eisenstein deutlich schneller.
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